Open Mic

aus sub-bavaria, dem Internet-Lexikon der bayerischen Subkulturen
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Das Open Mic bot Künstlern (Amateuren wie Profis) ein Mikrophon, eine offene Bühne, offene Herzen und offene Ohren. Im Mai 2005 feierte die Veranstaltungsreihe ihr großes 8-jähriges Jubiläum. Im Gegensatz zum Poetry Slam gab es keinen Wettbewerb und keine „Auslosung“.

Die Schriftstellerin Nancy Peiffer hat diese Veranstaltungsform 1997 aus den USA mitgebracht und in den Domagkateliers angesiedelt. Von 2001 bis 2005 wurde das Open Mic von dem Literaten Thomas Glatz, zeitweise auch vom Musiker Jan Bruhnke (Cloinc) organisiert.

Die Veranstaltung konnte auf eine lange Tradition zurückblicken. Da die Räume zu klein wurden, zog das Open Mic Anfang 2004 aus den Domagkateliers in die Weltwirtschaft im „Eine Welt Haus“ in der Schwantalerstrasse.


Kritiken

Das Open-Mic-Mikrophon erzählt von Thomas Glatz Neue Fassung anlässlich 30 Jahre Domagkateliers

Die meiste Zeit friste ich ein eher bescheidenes Dasein. Ich wohne in einer staubigen grünen Holzkiste, die dem Tontechniker Andy Wott gehört, zwischen Kabelsalat, schwarzem und beigem Gaffertape. Die Gaffers sind ganz nett, nur manchmal übertreiben sie es etwas und erzählen anzügliche Bauarbeiterwitze. Da bin ich etwas heikel. Das beige Tape kennt allerdings eine Fülle von Ostblockwitzen. Die sind zwar schon etwas älter, aber zeitgeschichtlich nicht uninteressant. Breschneew eröffnet 1980 die Olympischen Spiele in Moskau. Er liest vom Blatt: „Oh,oh,oh,oh,oh…“. Sein Sekretär sagt aufgeregt: „Aber Genosse Breschneew, das sind doch die olympischen Ringe!“ Angeblich ist das eine wahre Geschichte. Oder: Breschneew besucht das Kloster Sagorsk. Moment. Ich wollte Ihnen ja von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Open-Mic-Mikrofon erzählen. Die Schriftstellerin Nancy Peiffer aus Chicago hat diese Veranstaltung Mitte der Neunziger Jahre in der Künstlerkolonie Domagkateliers angesiedelt und so Spoken Word und Slam Poetry in den Münchner Norden gebracht. Ein Open Mic ist normalerweise ein Vorprogramm eines Poetry Slams oder einer HipHopJam, in den USA auch eine offene Bühne für regionale Blues- und Rockbands. In den Domagkateliers hat die Veranstaltung einen ganz eigenen unverwechselbaren, abendfüllenden Charakter entwickelt. Besucher schreiben sich in eine Sign-Up-Liste ein und geben bis zu zehnminütige Darbietungen zum Besten. Die meisten Gäste lesen eigene Texte, aber auch Musik und Performances aller Art sind willkommen. Na und was ich da alles gehört habe! Ein Open Mic ist keine gewöhnliche Literaturveranstaltung (Günter Grass liest in der Volkshochschule bei einem Glas Wasser und möchte dabei nicht gestört werden sagt Wiglaf Droste). Auf einem der ersten Open Mics gab es Jovan Jovanovic,einen serbischen Künstler, der eine Überforderungsperformance aufgeführt hat. Er improvisierte auf einem Syntheziser, während er gleichzeitig drei Gedichte schrieb, die er vorlas, während er mit der anderen Hand sein Instrument bemalte. Oder die „piss in bottle performance“ von Joe Vossekuhl. Da habe ich mit Rückkoppelungen meinerseits nicht gegeizt! Aber das erzähle ich ihnen lieber nicht. Jovan Jovanovic hat später – das muß im Juli 1998 gewesen sein – die Hausschweine bemalt. Der Künstler Blödgott hielt sich in der Künstlerkolonie nämlich damals drei vietnamesische Hängebauchschweine als Kunstprojekt, wurde vom Vorstand des Kunstvereins AKKU e.V. verklagt und scheiterte am Landgericht München II in zweiter Instanz mit seinem Vorhaben. Bei der großen Symphonie für Schweine von Punkt 24 und Elmar H. Guantes durfte ich auch mit dabei sein! Das war großartige Musik! Ich habe schon viel schöne Musik gehört! Teddy Alemmu auf der Kirarr, einer äthiopischen Harfe. Die japanischen Tsunami Riders, die Wolf Biermann Explosion und Ähnliche Künstler, Jazz Levenberg aus Südafrika, MoP, Jeffrey Hayes, Anchors Up, The final Curtain, die Great things echoes, Experimentaljazz von Schaufel. Einmal hat sogar der Kamerakino-Sänger Dizzy Errol eine Human-Beat-Box-Version des „Trans-Europa-Express“ durch mich gesungen. Das ging mir durch und durch. Ich habe schon unzählige von Gedichten und Geschichten gehört. Unglaublich öde, langweilige, mäßige, spannende, mitreißende und geniale Texte. Wieviele Stabreime, Binnenreime, Zisch- und Zungenlaute, Kehl- und Schnalzlaute ich mir schon habe anhören müssen! Ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis. Aber die Leute, die öfter kommen und lesen kann ich mir schon merken. Hypochonder Rockstein, Stein Vaaler, Brian Burger, Rhymemantiker, Relevant Elephant, Mayerbeetle, Matthias Vogel, Nikolai Vogel, Armin Steigenberger, Sarah Hakenberg, Tommy Schmidt, Rosy Stegmann, Ingo Lachmann, Andreas Heckmann, Afrah Farah, Boris Leconte, Miss Harmlos, Vera von Rimscha, Eduard Link, Gerhard Lassen, Shevaya. Komisches Pseudonym, dachte ich mir. Warum nennt sich ein junger Mann „Shevaya“ (der der sich verliert, während ein Zug vorbeifährt)? Shevaya hat sich im Hobbykeller seiner Eltern autodidaktisch tuwinischen Obertongesang beigebracht: Einmal hat er – mit einem Leuchtschwert bewaffnet – ein Obertongesangsduell mit dem Hund eines Besuchers ausgetragen. Ich weiß aber nicht mehr, wer gewonnen hat. Ich glaube Kalina, der Hund des Besuchers Christian Reichelmayr. Einer der schönsten Abende war das fünfjährige Jubiläum. Da denke ich gerne daran zurück. Da weihte Lutz Weinmann, ein wortkarger älterer, bebrillter Mann mit Strubbelhaaren, angeblich soll er mit Kollegen 1984 den Palisadenzaun vor dem Louvre bemalt und so als erster in Paris Graffiti gemacht haben, von den Domagkern zu ihrem König gekürt, also ein echter Monarch, König Lutz I. von Domagk, die Jubiläumsveranstaltung feierlich ein. Ich stand ganz alleine auf der Bühne, während der Monarch in vollem Ornat das rote Band durchschnitt! Netzhaut führten im Hof eine gigantische Feuerperformance auf. Und Slam- Ikone Rayl Patzak performte aus dem Stegreif den Text, den er angeblich auf dem allerersten Open Mic vorgetragen hatte. Mann, war ich wichtig an diesem Abend! Als die Frau, die mich einst gekauft hat, Nancy Peiffer 2001 nach Rotterdam zog, wurde die Veranstaltung von Thomas Glatz weitergeführt, in Hs 16 und im raum102, später dann in der Weltwirtschaft, wo sie bis 2005 stattfand. Jetzt liege ich die meiste Zeit in der grünen Holzkiste herum und langweile mich. Da gab es doch diesen einen, der auf jedem Open Mic wie ein Minnesänger bei Hofe die Aventüren des dichtenden Berges von der Leit´n vorgetragen hat. Das Getwergerichlied in zweihunderttausend Aventüren. Cramer hieß der. Was ist denn aus dem geworden? Ah, der ist jetzt Latein- und Ethiklehrer und das Getwergerichlied vollendet. Und der Kumpel von dem, der mit dem Verlag? Nikolai Vogel, genau. Die haben am Dienstag ihr 30jähriges Verlagsjubiläum im Muffatwerk gefeiert und Mond Null ist fertig. Da schau her. Und dieses Mädchen aus Südafrika, das zum ersten Mal vor Publikum gesungen und alle Herzen zum Schmelzen gebracht hat, so soulig war das? Jazz Jill Levenberg? Wie, die ist jetzt eine berühmte Schauspielerin in Südafrika. Und Sarah Hakenberg Berufskabarettistin. Krass. Und die eine, wie hieß die noch, die bei den ersten Open Mics die Bar gemacht hat und angeblich nur ein einziges Mal aus selbst aus ihren Texten gelesen hat, und dann ausgerechnet in mich hinein, Christine Wunnicke, wie? Die war schon zweimal nominiert für den deutschen Buchpreis, ist gerade in Berlin, wäre gerne gekommen und lässt schön grüßen. Na Hut ab. Und der Fei Teng hat jetzt einen Musikclub, der in ganz Südchina berühmt und berüchtigt ist. So wie damals im raum102? Unglaublich. Aber da hätte er doch hier auf Domagk… Wie? Bis auf Haus 50 alles abgerissen? Neues Stadtviertel. Investorenarchitektur. Europas größte Künstlerkolonie gibt es nicht mehr? Aber das waren doch 10 Atelierhäuser? Und nur Haus 50 gibt es noch und das ist jetzt städtisch verwaltet? Und Lars Mentrup kandidiert für den Landtag und will ein Atelierhochhaus an das Haus 50 anbauen lassen? Lars? Das war doch dieser junge Mathematikstudent, der sich von Blödgott eine Tonsur hat scheren lassen, damit er mit Mitglied der Kunst-Religion Brüder und Schwestern zu festen Glauben wird. „Glaube fest- arbeite nichts“ war glaube ich das Motto. Da liefen hier eine Zeitlang einige mit diesen Tonsuren herum. Blödgott lebt und malt jetzt in einer Jurte in den Crevennen? Wo ist das denn? Na, das ist ja ein Ding. Gut, wenn man mal rauskommt. Da erfährt man allerhand. Vielleicht komme ich ja doch noch einmal zum Einsatz. In diesem neuen Atelierhochhaus. Ich kenne eine Menge guter Witze. Breschneew eröffnet 1980 die Olympischen Spiele in Moskau. Er liest vom Blatt: „Oh,oh,oh,oh,oh…“. Sein Sekretär sagt aufgeregt: „Aber Genosse Breschneew, das sind doch die olympischen Ringe! Ach so, den hatte ich schon mal erzählt.


Das Open-Mic-Mikrophon erzählt von Thomas Glatz Historische Fassung


Die meiste Zeit friste ich ein eher bescheidenes Dasein. Ich wohne in einer staubigen grünen Holzkiste, die dem Tontechniker Andy Wott gehört, zwischen Kabelsalat, schwarzem und beigem Gaffertape. Die Gaffers sind ganz nett, nur manchmal übertreiben sie es etwas und erzählen anzügliche Bauarbeiterwitze. Da bin ich etwas heikel. Das beige Tape kennt allerdings eine Fülle von Ostblockwitzen. Die sind zwar schon etwas älter, aber zeitgeschichtlich nicht uninteressant. Breschneew eröffnet 1980 die Olympischen Spiele in Moskau. Er liest vom Blatt: „Oh,oh,oh,oh,oh…“. Sein Sekretär sagt aufgeregt: „Aber Genosse Breschneew, das sind doch die olympischen Ringe!“ Angeblich ist das eine wahre Geschichte. Oder: Breschneew besucht das Kloster Sagorsk. Moment. Ich wollte Ihnen ja von meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Open-Mic-Mikrofon erzählen. Die Schriftstellerin Nancy Peiffer aus Chicago hat diese Veranstaltung vor acht Jahren in der Künstlerkolonie Domagkateliers im Norden Münchens angesiedelt.

Ein Open Mic ist normalerweise ein Vorprogramm eines Poetry Slams oder einer HipHopJam, in den USA auch eine offene Bühne für regionale Blues- und Rockbands. In den Domagkateliers hat die Veranstaltung einen ganz eigenen unverwechselbaren, abendfüllenden Charakter entwickelt. Besucher schreiben sich in eine Sign-Up-Liste ein und geben bis zu zehnminütige Darbietungen zum Besten. Die meisten Gäste lesen eigene Texte, aber auch Musik und Performances aller Art sind willkommen. Na und was ich da alles gehört habe! Ein Open Mic ist keine gewöhnliche Literaturveranstaltung (Günter Grass liest in der Volkshochschule bei einem Glas Wasser und möchte dabei nicht gestört werden sagt Wiglaf Droste). Auf einem der ersten Open Mics gab es Jovan Jovanovic,einen serbischen Künstler, der eine Überforderungsperformance aufgeführt hat. Er improvisierte auf einem Syntheziser, während er gleichzeitig drei Gedichte schrieb, die er vorlas, während er mit der anderen Hand sein Instrument bemalte. Oder die „piss in bottle performance“ von Joe. Da habe ich mit Rückkoplungen meinerseits nicht gegeizt! Aber das erzähle ich ihnen lieber nicht. Jovan Jovanovic hat später – das muß im Juli 1998 gewesen sein – die Hausschweine bemalt. Der Künstler Blödgott hielt sich in der Künstlerkolonie nämlich damals drei vietnamesische Hängebauchschweine als Kunstprojekt, wurde vom Vorstand des Kunstvereins AKKU e.V. verklagt und scheiterte am Landgericht München II in zweiter Instanz mit seinem Vorhaben. Bei der großen Symphonie für Schweine von Punkt 24 und Elmar H. Guantes durfte ich auch mit dabei sein! Das war großartige Musik! Ich habe schon großartige Musik gehört! Teddy Alemmu auf der Kirarr, einer äthiopischen Harfe. Die japanischen Tsunami Riders, die Wolf Biermann Explosion und Ähnliche Künstler, Jazz Levenberg aus Südafrika, MoP, Jeffrey Hayes, Anchors Up, The final Curtain, die Great things echoes, Experimentaljazz von Schaufel. Elektronischen Noize von Andy Wott und Epileptic Rootz. Einmal hat sogar der Kamerakino-Sänger eine Human-Beat-Box-Version des „Trans-Europa-Express“ durch mich gesungen. Das ging mir durch und durch. Als wir einmal im Pathos Transport Theater zu Gast waren hat sogar Joachim Deutschland mit mir gesungen. Wollte sagen in mich.

Ich habe schon unzählige von Gedichten und Geschichten gehört. Unglaublich öde, langweilige, mäßige, spannende, mitreißende und geniale Texte. Christine Wunnicke hat aus „Jetlag“ gelesen und Claudia Singer, bevor sie noch nicht bei Rowohlt gelandet ist. Wieviele Stabreime, Binnenreime, Zisch- und Zungenlaute, Kehl- und Schnalzlaute ich mir schon habe anhören müssen! Ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis. Aber die Leute, die öfter kommen und lesen kann ich mir schon merken. Axel Klingenberg, Hypochonder Rockstein, Stein Vaaler, Brian Burger, Rhymemantiker, Relevant Elephant, Mayerbeetle,Matthias Vogel, Nikolai Vogel, HP Vogel, Ed Schmitt, Tommy Schmidt, Rosy Stegmann, Ingo Lachmann, Andreas Heckmann, Afrah Farah, Boris Leconte,Miss Harmlos, Vera von Rimscha, Eduard Link, Shevaya. Komisches Pseudonym, dachte ich mir. Warum nennt sich ein junger Mann „Shevaya“ (der der sich verliert, während ein Zug vorbeifährt)? Shevaya hat sich im Hobbykeller seiner Eltern autodidaktisch tuwinischen Obertongesang beigebracht:. Einmal hat er – mit einem Leuchschwert bewaffnet – ein Obertongesangsduell mit dem Hund eines Besuchers ausgetragen. Ich weiß aber nicht mehr, wer gewonnen hat. Ich glaube Kalina, der Hund. Einer der schönsten Abende war das fünfjährige Jubiläum. Da denke ich gerne daran zurück. Da weihte ein echter Monarch, König Lutz I. von Domagk, die Jubiläumsveranstaltung feierlich ein. Ich stand ganz allein auf der Bühne, während der Monarch das rote Band durchschnitt! Netzhaut führten im Hof eine gigantische Feuerperformance auf. Der US-Slammer Aquiy stattete uns im Rahmen seiner Europa-Tournee einen Besuch ab. Und Slam- Ikone Rayl Patzak performte aus dem Stegreif den Text, den er angeblich auf dem allerersten Open Mic vorgetragen hatte. Mann, war ich wichtig an diesem Abend!

Als die Frau, die mich einst gekauft hat, Nancy Peiffer 2001 nach Rotterdam zog, wurde die Veranstaltung von dem Literaten Thomas Glatz und dem Tontechniker Andreas Wott weitergeführt. Auch der Musiker Jan Bruhnke (Cloinc) war ein Jahr lang mit von der Partie. Aus Platzgründen zog die Veranstaltung 2004 aus der Künstlerkolonie in den Westen der Stadt. Jeden dritten Sonntag im Monat ist nun die gemütliche Weltwirtschaft in der Schwanthalerstraße 80 der neue Austragungsort. Vielleicht sehen wir uns da einmal. Ich kenne eine Menge guter Witze. Kommen sie mal zu mir, in der Pause, wenn Moderator und Stargst-Co-Moderator mit den Gästen plaudern und der DJ mir eine Verschnaufpause gönnt.