Kamerakino: Unterschied zwischen den Versionen

aus sub-bavaria, dem Internet-Lexikon der bayerischen Subkulturen
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== Selbstbeschreibung ==
== Selbstbeschreibung ==
Rückschau und Abschiedserklärung von KK:
Einen gesellschaftspolitischen Ton suchend, der über das Popstar sein wollen hinaus geht, stehen die Münchener Kamerakino in der Tradition von Krautrockgruppen wie Faust, FSK oder den englischen GONG.
Kunst und Leben in Einklang und dabei die herrschenden Verhältnisse zum Tanzen zu bringen stand dabei immer im Fokus.
Dabei vollzog die Gruppe eine musikalische Wandlung: von einem Anti-Rock-Ansatz ausgehend hin zu Rock, Pop und Disco gelangend.
Dass der Nährboden für solch ein Grossgruppenprojekt in der deutschen Öffentlichkeit nicht derselbe ist wie in der von einem emanzipatorischen Bewusstsein geprägten Zeit der 60er/70er Jahre, das wurde mit der Zeit immer klarer.
So etwa auf Tournee mit Franz Ferdinand - dort übte das Sextett eine deutlich polarisierende Wirkung auf das Mainstream- und Indiepop-Publikum aus, das nur vereinzelt den Humor der Band teilen konnte.
Der FF-Gitarrist Nick McCarthy war vor seinem Umzug nach Glasgow als KK-Bassist an den Aufnahmen zum international viel beachteten Debut "Paradiso" (GOMMA) beteiligt gewesen. 
Im Gegenzug fanden Kamerakino auf wiederholten Konzertreisen ins U.K. ein interessiertes bis enthusiastisches Publikum vor und veröffentlichten ihr aktuelles Album "Munich Me Mata" auf einem englischen Label, NEW-Records.
Als Kontrast zum mighty glamourösen Nihilismus der Pop- und Discowelt folgten Teile von Kamerakino für drei Wochen einer Einladung in den Jemen, arbeiteten und spielten dort mit jemenitischen Theatermusikern.
Wieder in München engagierten Stadtverwaltung und Kammerspiele die Band als Theatermusiker
für ein spektakuläres Bühnenstück das unser System der hunderttausendfachen Ausbeutung von illegalisierten Menschen thematisiert.
Dazu wurde im Auftrag vom Bayerischen Rundfunk das Hörspiel "Illegal" produziert, publiziert von Intermedium Records.
Die deutschsprachigen Pop-Medien
nahmen weiterhin weitgehend keine Notiz vom internationalen Ruf der Band, deren Mitglieder aber ohne Bookingagentur, Label und Management so gut wie ohne Spielraum dastanden.
Keine Zukunft in Sicht beschloss man kurzerhand sich der Öffentlichkeit ganz zu entziehen und offiziell nicht mehr zu existieren.
Aus den grossen Kamerakino gehen grosse Namen hervor:
Pollyester, The Parasyte Woman, Piko Bello Powers, Hollywood Hotel, The Lazy, Tom Wu, Honig, String Gitanes und Tuna Trio & The Ghost. Und Dizzy Erol.
Kisses
KK 
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Zusammenfassend lässt sich über die ersten 5 Jahre KAMERAKINO (2000-2005) folgendes sagen: Die Leute klatschten spontan Beifall und die Band wuchs plötzlich auf über 7 MusikerInnen an der Zahl, die es allesamt leid waren in Retro-Genrebands mit Schubladenmusik wie Ska, 60ies-Garage oder auch Funk und Jazz die jeweiligen Szenen zu bedienen. Damit war jetzt schluss.   
Zusammenfassend lässt sich über die ersten 5 Jahre KAMERAKINO (2000-2005) folgendes sagen: Die Leute klatschten spontan Beifall und die Band wuchs plötzlich auf über 7 MusikerInnen an der Zahl, die es allesamt leid waren in Retro-Genrebands mit Schubladenmusik wie Ska, 60ies-Garage oder auch Funk und Jazz die jeweiligen Szenen zu bedienen. Damit war jetzt schluss.   
Auf die Frage "Ist KAMERAKINO eher ein Münchner oder eher ein internationales, nicht zu verortendes Phänomen?" gibt der Beipackzettel zur Vinylsingle "Drahtseillady Elektra - Du bist mein Fall" hübsch Auskunft:
Auf die Frage "Ist KAMERAKINO eher ein Münchner oder eher ein internationales, nicht zu verortendes Phänomen?" gibt der Beipackzettel zur Vinylsingle "Drahtseillady Elektra - Du bist mein Fall" hübsch Auskunft:

Version vom 30. Juni 2009, 18:03 Uhr

Kamerakino ist eine Münchner Band, die derzeit in der Besetzung Federico Sánchez (a.k.a. Piko B.), Sebastian Meyhöfer (a.k.a. Sebastian Mmm), Thomas Wühr (a.k.a. Tom Wu), Polly Lapkovskaja (a.k.a. PollyEster), Relle Büst und Tagar (a.k.a. Marina S.) spielt.

Frühere Mitglieder waren Erol Dizdar (a.k.a. Erol D.), Nick McCarthy, Hypochonder Rockstein, Teresa Gruber, Sandra Juds und Chris Schaaf.

Selbstbeschreibung

Rückschau und Abschiedserklärung von KK:

Einen gesellschaftspolitischen Ton suchend, der über das Popstar sein wollen hinaus geht, stehen die Münchener Kamerakino in der Tradition von Krautrockgruppen wie Faust, FSK oder den englischen GONG. Kunst und Leben in Einklang und dabei die herrschenden Verhältnisse zum Tanzen zu bringen stand dabei immer im Fokus.

Dabei vollzog die Gruppe eine musikalische Wandlung: von einem Anti-Rock-Ansatz ausgehend hin zu Rock, Pop und Disco gelangend. Dass der Nährboden für solch ein Grossgruppenprojekt in der deutschen Öffentlichkeit nicht derselbe ist wie in der von einem emanzipatorischen Bewusstsein geprägten Zeit der 60er/70er Jahre, das wurde mit der Zeit immer klarer.

So etwa auf Tournee mit Franz Ferdinand - dort übte das Sextett eine deutlich polarisierende Wirkung auf das Mainstream- und Indiepop-Publikum aus, das nur vereinzelt den Humor der Band teilen konnte. Der FF-Gitarrist Nick McCarthy war vor seinem Umzug nach Glasgow als KK-Bassist an den Aufnahmen zum international viel beachteten Debut "Paradiso" (GOMMA) beteiligt gewesen.

Im Gegenzug fanden Kamerakino auf wiederholten Konzertreisen ins U.K. ein interessiertes bis enthusiastisches Publikum vor und veröffentlichten ihr aktuelles Album "Munich Me Mata" auf einem englischen Label, NEW-Records.

Als Kontrast zum mighty glamourösen Nihilismus der Pop- und Discowelt folgten Teile von Kamerakino für drei Wochen einer Einladung in den Jemen, arbeiteten und spielten dort mit jemenitischen Theatermusikern.

Wieder in München engagierten Stadtverwaltung und Kammerspiele die Band als Theatermusiker für ein spektakuläres Bühnenstück das unser System der hunderttausendfachen Ausbeutung von illegalisierten Menschen thematisiert. Dazu wurde im Auftrag vom Bayerischen Rundfunk das Hörspiel "Illegal" produziert, publiziert von Intermedium Records.

Die deutschsprachigen Pop-Medien nahmen weiterhin weitgehend keine Notiz vom internationalen Ruf der Band, deren Mitglieder aber ohne Bookingagentur, Label und Management so gut wie ohne Spielraum dastanden. Keine Zukunft in Sicht beschloss man kurzerhand sich der Öffentlichkeit ganz zu entziehen und offiziell nicht mehr zu existieren.

Aus den grossen Kamerakino gehen grosse Namen hervor:

Pollyester, The Parasyte Woman, Piko Bello Powers, Hollywood Hotel, The Lazy, Tom Wu, Honig, String Gitanes und Tuna Trio & The Ghost. Und Dizzy Erol. Kisses KK


// Zusammenfassend lässt sich über die ersten 5 Jahre KAMERAKINO (2000-2005) folgendes sagen: Die Leute klatschten spontan Beifall und die Band wuchs plötzlich auf über 7 MusikerInnen an der Zahl, die es allesamt leid waren in Retro-Genrebands mit Schubladenmusik wie Ska, 60ies-Garage oder auch Funk und Jazz die jeweiligen Szenen zu bedienen. Damit war jetzt schluss. Auf die Frage "Ist KAMERAKINO eher ein Münchner oder eher ein internationales, nicht zu verortendes Phänomen?" gibt der Beipackzettel zur Vinylsingle "Drahtseillady Elektra - Du bist mein Fall" hübsch Auskunft:

"Elektra läuft auf einem Strich vor der Tür hin und her" behauptet Dekadenz-Dichter Hugo von Hofmannsthal in seiner Version des Sophokles-Stoffes, und nimmt ganz nonchalant den Schluß des Kamerakino-Klassikers "Drahtseilakt" vorweg, zu hören auf dem 2003er Album "Paradiso". Damals verabschiedete sich die Drahtseillady im Morsealphabet vom Strich - nun kommt sie wieder und hämmert gegen die Tür des Palastes.

Drinnen beschreibt ihr Bruder Orest einen Lauf, der stark an den von Captain Martin Sheen in "Apocalypse Now" erinnert, wie dieser zu "The End" von den Doors im züngelnden Schein der Fackeln ins Zentrum des Dschungelpalastes eindringt um seinen abtrünnigen Vorgesetzten Colonel Marlon Brando zu erschlagen - ein Auftrag der eigenen Regierung. "Father, yes son?, I want to kill you. Mother - I want to..." zischt Jim Morrison da.

Hank Schmidt-in-der-Beek von der Münchner Mod-Legende The Beatmen (ein Bandname, der durchaus auch eingedeutscht, also wie das Verb "Beatmen" gelesen werden konnte) machte in "Schichtarbeit", ein R&B-Stück welches mit einem Text aus dem Soziologie-Schulunterricht versehen war und welches auf den Konzerten immer als allerletzte Nummer gespielt wurde, daraus sein "Vater, ja Hank?, ich möchte dich um die Ecke bringen. Mutter, Mutter, Mutter" und liess daraufhin das Mikrofon auf den Bühnenboden fallen. Orest mordet lieber gleich die mörderische Mutter und den Stiefvater sowieso - ganz im Sinne von Elektra. Während die Doors "The End" und alles was danach kam konsequenterweise auf dem Label "Elektra" veröffentlichten, unterlegte Max Reinhardt seine 1903er Inszenierung der Hofmannsthal-Elektra mit einem Meer von Fackeln und der Musik von Richard Strauss.

Erst vor Kurzem fiel mir auf, dass die Oberschule, welche ich besuchen musste, direkt an der Achse Elektrastrasse/Hugo-v.-Hofmannsthalweg/Richard-Strauss-Ring gelegen ist. Die Schule öffnete ihre Pforten 1972, zur Hochzeit der Münchner Moderne und der Olympiade und in ihr lernte ich verschiedene Fallbeispiele kennen, vor allem aber die einzelnen Fälle zu deklinieren. So kommen in der "Drahtseillady" drei Bedeutungsebenen zum tragen: Da ist die Redewendung "Du bist mein Fall" im Sinne von "Du gefällst mir" oder "Du bist mein Niedergang" ebenso enthalten, wie die scherzhafte Anwendung des Wortes "Fall" auf den Genitiv-Kasus in "Geh nie tief! - Du bist mein Fall". Der Akkordeonlauf zeichnet dazu eine hübsche Fallbewegung auf, in der einen Version gespielt von Miss Le Bomb, in der anderen von Zandra Juds. Da kommt die Mathematik ins Spiel mit ihren immerfort gegen Null strebenden Kurvendiskussionen, wenn das Drahtseil wie die Assymptote einer Parabelgleichung schwingt, was daran liegen mag, dass die Basslinie von einer bekannten afroamerikanischen R&B-Gruppe entlehnt wurde, die die Antwort auf die Frage "Was macht die Polka gerade?" mit Loopbewegungen löst.

Ex-Richard-Strauss-Konservatoriumsschülerin Polina Lapkovskaya variiert dazu das russische Thema "Die Dame geht über das Seil, als wäre sie ein Telegramm" des Russendisko-Hits "Drahtseilakt" und Marina S malt ein sportliches Cover, welches an die Ästhetik der Münchner Untergrundbahn erinnert, die für Olympia '72 erstmals ihre Pforten öffnete und mit ihren Rock'n'Rolltreppen den Ureinwohnern ein anderes Abwärtsgefühl vermittelte, als jenes des bis dahin üblichen Pater Nosters, welcher auf der Vorderseite der Platte auch noch sanft mit eingewoben ist. Kamerakino gleiten über die Brücken, die sie zwischen alten und neuen Welten schlagen wie über den Laufsteg ihres eigenen Niedergangs. Elektra verabschiedet sich im antiken Drama nach vollbrachtem Elternmord mit den Worten: "Schweig und tanze! Wer glücklich ist wie wir, den ziemt nur eins: Schweigen und tanzen." Momente später stürzt Elektra tanzend zusammen.

Piko B.

Auftritte in Bayern

  • 17. April 2009 - Volkstheater - München
  • 28. Dezember 2008 - Substanz - München
  • 20.Juli 2008 - Pathos - München
  • 14. Juni 2008 - Kammerspiele Werkraum - München
  • 12. Juni 2008 - ZKMax Albumpräsentation "Munich Me Mata" - München
  • 30. April 2008 - Volkstheater - München / Tanz In Den Mai (Radikal Jung - Festival)
  • 20. Dezember 2007 - Rote Sonne - München
  • 28. Juli 2007 - "Subkultur" alter Schlachthof / Fürstenfeldbruck
  • 30. Juni 2007 - Tegernseer Landstr. 94 / Ecke Weinbauerstr. - Werkstattkonzert! - München
  • 24. März 2007 - Münchner Kammerspiele mit Dis*ka und Three Shades
  • 17. März 2007 _ Kilombo: Kilombo Abschiedskonzert
  • 27. Dezember 2006 - Substanz: Weihnachten mit Kamerakino & Freunden
  • 10. November 2006 - Färberei : Konzert mit Ausstellung von Johnny Amore
  • 26. September 2006 - Lothringer13: Öffentliche Bandprobenverfilmung
  • 29. September 2006 - Lothringer13: Playback
  • 26. Mai 2006 - Stachus: auf Übersee-Containern, in der Garderobe von Fassbinders "Querelle" (auf Einladung der Münchner Kammerspiele)
  • 17. März 2006 im BR-Funkhaus: Doppelkonzert mit Attwenger

Veröffentlichungen

Sampler-Beiträge:

  • Fliegen/Moskau Beat (auf Catalog 1), erschienen 2003
  • Metall Auf Eis/Ganz Schnell Wohin (auf Gommagang 2),CD - erschienen 2004
  • Stop Deportation Class (auf Rage against Abschiebung - Die Compilation, CD - erschienen 2004, bei Bodensatz/Hausmusik.
  • Blaue Seeschuhe (auf Catalog 2), erschienen 2004
  • Drahtseillady Elektra (auf Freunde selbstgemachter Unterhaltung, CD + LP - erschienen 2005, bei Gutfeeling).
  • Metall Auf Eis (Dis*ka-Remix 05) auf ROXI-Sampler, (2er LP), 2005
  • "Naked Train" auf "Perlen deutschsprachiger Popmusik IV", Trikont, 2007
  • Echokammer Werkschau

Munich me mata

Munich me mata ist der Titel des zweiten Albums der Band. "MMM" ist spanisch und bedeutet "München bringt mich um", kann aber auch ambivalent gelesen werden, etwa "München haut mich um". Zitiert wird das unter Madrileños geläufige Bonmot "Madrid me mata", auch Titel eines Magazins der "Movida"-Szene der frühen 80er.

Das in der Giesinger Echokammer produzierte Album wurde 2008 auf dem britischen Label "NEW!" veröffentlicht. Auf der als Picturedisc publizierten Vinyledition ist auf der Rückseite das Maximilianeum in Flammen zu sehen.

Links

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Container-Konzert