Torpedos

aus sub-bavaria, dem Internet-Lexikon der bayerischen Subkulturen
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Tony Titt and the Torpedoes galten von 1978-1983 als das enfant terrible der Münchner Musikszene. Der abendliche Bierumsatz während ihrer zahlreichen Liveauftritte wurde legendär, nicht zuletzt dank der eifrigen Mithilfe der Bandmitglieder um Sänger Tony Titt.

Tony Titts Geheimwaffen Sigi Pop (Marionetz), Bass, Tibor Fredmann & Gogo Eisert (Ski und der Rest), Gitarren, sowie diverse Drummer trashten sich wild und mit grenzenloser Unbekümmertheit durch ein buntes Repertoire eigenwilliger Interpretationen 50er Jahre Rock'n Roll-Songs, Chicago Blues, Vaudeville Nummern („Diddywahdiddy“) bis hin zu Velvet Underground Covern.

Discographie

  • Dance/No more Reggae. 7”. Ariola (1981)
  • s/t. MLP. rns 1001 (1981)
  • Letzte Bestellung. MLP. Montevideo 210 (1983, Aufl.: 500)
  • Crocodile Shows. CD. (Bootleg)

auf Sampler:

"Moderner Normalrock mit etwas Nostalgie-Retro-Einschlag, allerdings ohne Spider Murphy Gängigkeit aus dem Marionetz-Umfeld und mit einem der vielen kleinen Hits des Reifenwechsel leicht gemacht-Samplers gesegnet." (aus: "Als die Welt noch unterging. Von Punk zu NDW". Ventil Verlag. Mainz 2007 von Frank Apunkt Schneider - Bestellen/Kontakt zum Autoren)

Lobpreisung

Stürmisch begrüßt bei jedem Liveauftritt waren Tony Titts „Ultra-Schmaltz“-Interpretationen von „Blue Moon“ und „Fever“, die so manchen hartgesottenen Punk in sein Augustiner weinen ließen. Ihre Eigenkompositionen („Cool in the night“, „I was a punk before you were a mod“, „Never“ „,Blue Street“, u.a.), verbanden geschickt gängige musikalische Rhythmen der frühen 80er von Ska, Reggae, Disco und Punk zu einer erfrischenden musikalischen New Wave-Melange, die ein breites, tanzwütiges Publikum von Szenegängern, Punks, Teds, Studenten und Normalos gleichermaßen anzog. Die Torpedoes bewegten sich stets geschmackvoll und stilsicher zwischen musikalisch-künstlerischen Anspruch der frühen Roxy Music und der rohem ungeschliffenen Naivität des 60 Jahre Garage-RocknRolls. Sänger Tony Titt und seine Jungs waren gern gesehene musikalische Gäste auf zahlreichen Parties und Veranstaltungen in München Anfang der 80er Jahre. Ebenso vielfältig wie ihre musikalische Bandbreite war daher auch ihr Publikum in ihrem „Hausclub“, dem Rigan Club, Punkschuppen (Milbenzentrum), Jazzclubs (domicile, JaM), Filmfesten , Studentenkneipen , Dorf- aber auch Nobel-Disco (Eastside), Faschingsfesten im Loft und Tanzlokal Größenwahn, Galeriefesten (Danny Keller), Heavy Metal Open Airs, Hochzeiten, Gay-Parties sowie Sylvester-Galas auf Theaterbühnen. Schauspieltalent und charismatische Bühnenpräsenz des Sängers Tony Titt sorgten für Zulauf bei den Clubkonzerten, Furore in der Lokalpresse sowie Anerkennung musikalischer Kollegen (von Amon Düül/Stefan Zauner, The Nighthawks, Zero Zero) und Unterstützung durch das künstlerische Umfeld (Marc Sargent, Ernst AuerbacherSprengreiter“, „Vivat“).

Tony Titt lieferte in den bis zu dreistündigen Sets eine überzeugende exaltierte, Freddie Mercury, Dean Martin und Jonny Rotten gleichermaßen persifilierende Bühnenshow, gegen deren Ende Publikum und Band oft gleichermaßen erschöpft und wohlig berauscht die Zugaben gemeinsam darboten. Mit Sigi Pop hatten er einen der besten Bassisten der Stadt gewonnen, dessen angepunktes, melodiereiches Spiel zusammen mit Drummer Jakob ein betonsolides Rhythmus-Fundament legen, über den die beiden Gitarristen Tibor & Gogo ihre messerscharfen, beissenden Riffs und ins oft ins atonale abdriftende Feedback- und Slide-Solos abfeuerten. Tony seufzte, schrie und croonte sich theatralisch durch Uptemponummern wie Balladen, tanzte auf Tischen wie Theken, stand - als Entertainer ganz der Welt entrückt - während der Schieber lässig auf einem Barhocker, rauchte dabei Filterlose, trank Champagner und kokettierte mit dem hingebungsvoll lauschenden weiblichen Fans am Bühnenrand.

Die Torpedos sorgten derweil mit schneidenden Fuzzgitarren, gehämmerten an Chris Spedding geschulten Riffs und donnerenden Bass-Schlagzeug Synkopen für ein tanzbares musikalisch ungestümes Backing. Ihre Auftritte waren wild, authentisch und von ungewöhnlicher Vitalität. Trotz Pogo und unbeholfenen, oft unfreiwilligen frühen Formen des Stagediving während der Titts-Konzerte, zu Schlägereien und ähnlichen Unbill kam es bei ihren Auftritten nie, dies auch dank einer steten guten Durchmischung der an Testosteronüberschuss leidenden männlichen Zuhörerschaft mit der immer zahlreich vorhandenen recht ansehnlichen weiblichen Gefolgschaft der Band. Und so musste auch nur einmal ein kurzfristiges Lokal- und Auftrittsverbot erfolgen: der Wirt bedauerte dies sehr, aber die (für Musiker kostenfreie) Bar-Rechnung der Band war an einem denkwürdigen Abend im „Größenwahn“ höher gewesen als die vorher vereinbarte Bühnengage.

Tony Titt and the Torpedoes stilistische Bandbreite, ihre für frühen Punk/New Wave ungewöhnliche Besetzung mit zwei Gitarren und Jazz-Saxophon sowie ihre allen Zeitnormen konträren Stylings mit grell-bunten Theaterkostümen, Levis, Lederjacken, weißen Rüschen-Hemden und klassischen 40 Jahre taubenblauen Zweireihern verhinderte mit Erfolg eine Vereinnahmung als „Weltanschauungs“ und Singulär Szene -Band („das ist richtiger Punk“) durch eine homogene tribalisierte Zuhörerschaft, kostete allerdings auch die Band den Tribut, nach vielen, vielen Gigs 1983 zwischen allen Stühlen zu erwachen.

So wundert es nicht, dass trotz Plattendeal mit Ariola/BMG (eingefädelt von dem späteren Terrence Trent D`Arby Manager Klaus Schleinitz) der breite kommerzielle nationale Erfolg (Veröffentlichungen: 1 Single, 2 LPs, post mortem Raubpressungen) ausblieb, dies jedoch nicht zum Bedauern der Musiker, die sich mit dem eingeschränkten Anforderungsmodell des gut cross medial verwertbaren Bravo- und Formatradio-tauglichen New Wave-Rockstars ohnehin nur wenig identifizieren konnten.

Tony Titt lebt heute glücklich mit Tochter in Karlsruhe, arbeitet pensionsberechtigt am dortigen Staatstheater, singt immer noch gerne. Sigi Pop ist nach Soap Star- und Solokarriere hoffentlich auch noch gut drauf und lebt Gerüchten zu Folge im ländlichen Franken. Gogo Eisert sägt immer noch an der Gitarre in diversen Bands und schafft in Multimedia. Tibor Fredmann veröffentlichte mit Gogo Eisert und befreundeten Musikern (von Haindling, No Goods, Fraunhofer Saitenmusik, Cat Sun Flower) einige bayerische Spoken-Word CDs, verfasst satirische Kurzgeschichten und lebt auch nicht schlechter als früher.